Seit der „Matrix“-Reihe mit Keanu Reeves ist die Simulationshypothese aus der Popkultur kaum noch wegzudenken – vermutlich, weil sie unsere Auffassung von Realität besonders radikal infrage stellt. Dieses Thema steht auch im Fokus von anderen berühmten Filmen und Romanen, zum Beispiel in „The 13th Floor“, in „Open Your Eyes“ oder einem Großteil des literarischen Werks von Philip K. Dick.
Ohne zu spoilern, kann ich sagen, dass die Computersimulationstheorie auch in der Ram-Collins-Reihe eine zentrale Rolle spielt, weil mich die Frage, was Wirklichkeit ist und was wir uns möglicherweise nur einbilden, schon lange interessiert.
Inzwischen gibt es einige Wissenschaftler und Ingenieure, die glauben, dass wir tatsächlich eine computergenerierte Welt bewohnen. Der KI-Experte und Oxford-Philosoph Nick Bostrom geht davon aus, dass dies mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent der Fall ist. David J. Chalmers, Philosoph und Neurowissenschaftler an der New York University, proklamiert dafür eine fünfzigprozentige Chance, während der superreiche Tech-Unternehmer Elon Musk vermutet, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Simulation bei mindestens einer Milliarde zu eins liegt.
Für mich macht es einen erheblichen Unterschied, ob jemand solche Gedankenspiele faszinierend findet, so wie ich, oder ob er sie für real hält wie Elon Musk. Bestimmt gibt es Glaubenssysteme, die seelisch gesünder sind als die Vorstellung, zusammen mit dem Rest der Erdbevölkerung Teil einer Rechnersimulation zu sein, aber das ist eine psychologische, keine philosophische Frage.
Welche Argumente bringen die Anhänger vor, um ihre Theorie zu begründen?
Verblüffenderweise sind es weder philosophische noch technologische Feinheiten, sondern logische Ableitungen, die an einen Entscheidungsbaum erinnern.
1) Falls die menschliche Zivilisation – oder unsere maschinellen Nachfolger – durch eine Katastrophe vernichtet wird, bevor sie hyperrealistische Welten am Rechner konstruieren kann, leben wir in einem nichtsimulierten, physikalischen Universum.
Wahrscheinlichkeit: nicht zu beurteilen. (Wiedervorlage Anfang des 22. Jahrhunderts?)
2) Falls es irgendwann möglich sein sollte, solche Computerwelten zu erschaffen, sich die Menschheit jedoch dagegen entscheidet, das zu tun – zum Beispiel aus moralischen Gründen oder wegen des exzessiven Ressourcenverbrauchs -, leben wir in einem nichtsimulierten, physikalischen Universum.
Wahrscheinlichkeit: eher gering. Sehr wenig von dem, was technologisch machbar ist, wurde in der Entwicklung gestoppt. Im militärischen Bereich gilt das für die Neutronenwaffe und für Lasergewehre, durch die das Opfer blind wird – mehr Beispiele fallen mir nicht ein. Schon der Konkurrenzkampf zwischen Konzernen und zwischen Staaten sorgt normalerweise dafür, dass jeder der Erste sein will, wenn es um bahnbrechende Innovationen geht.
3) Falls fundamentale physikalisch-technologische Gründe existieren, die eine Konstruktion von realistischen virtuellen Welten verhindern, leben wir in einem nichtsimulierten Universum.
Wahrscheinlichkeit: gering bis mäßig. Seit wir virtuelle Realitäten am Computer erschaffen, sind sie immer differenzierter und wirklichkeitsnäher geworden. Und auch wenn Siliziumchips irgendwann in den nächsten Jahren wegen Quanteneffekten nicht mehr weiter schrumpfen können, gibt es einige vielversprechende Ansätze, um die Rechnerleistung trotzdem weiter zu erhöhen: DNA als Speichermedium, Chips auf Graphen-Basis, Quantencomputer, die Qubit-Verschränkungen nutzen, und so weiter.
4) Falls die Hindernisse, die unter Punkt 1 bis 3 dargestellt worden sind, in der Zukunft keine Rolle spielen, leben wir mit großer Sicherheit in einer rechnergestützten Simulation. Warum? Ganz einfach: Wenn sich das Universum, wie wir es kennen, am Rechner simulieren lässt, egal ob in 50, 100 oder 1000 Jahren, kann man eine solche Simulation ohne deutlichen Mehraufwand kopieren und variieren. Auf der anderen Seite gibt es nur eine echte, physikalische Welt. Die Wahrscheinlichkeit dafür, ausgerechnet in diesem Real Life-Universum zu leben statt in einer von zahllosen virtuellen Kopien, ist minimal.
Beeindruckt? Ich bin’s nicht so sehr. Über die jeweiligen Wahrscheinlichkeiten lässt sich endlos streiten. Die Simulation müsste umfassend, extrem detailliert und fehlerfrei sein, damit man sie nicht von einer echten Welt unterscheiden kann. Perfekt funktionierende Technik ist für mich schwer vorstellbar, wenn ich nur an meine eigenen Computerprobleme denke.
Und wieso diese virtuellen Universen ausgerechnet von ahnungslosen virtuellen Menschen bevölkert sein sollten und nicht von Usern der Zukunft, die sich bewusst dafür entscheiden, eine Rechnerexistenz zu führen, ist mir ein Rätsel.
Außerdem irritieren mich die religiösen Aspekte der Simulationshypothese: Statt eines allmächtigen Gottes beherrscht dann eben ein gottähnliches Operator-Team die Welt, die wir kennen.
Elon Musk scheint das nicht zu stören. Er sagte in Interviews, sein erklärtes Ziel sei es, auf diesem Planeten so viel zu bewirken, dass ihm die Aufmerksamkeit der Matrix-Macher gewiss ist – bis hin zur Marsbesiedlung. Dadurch hofft Musk, irgendwann hinter die Kulissen blicken zu dürfen, also auf die andere Seite der Computerschnittstelle. Vielleicht gewähren die Herrscher des künstlichen Universums Superhelden wie ihm sogar ein Leben nach dem Tod. Und das ganz ohne Beten oder Bereuen der Sünden …