In Band 2 der Ram-Collins-Reihe führe ich die Mitglieder einer ostafrikanischen Elefantengruppe ein, die in Band 3 eine wichtige Rolle spielen wird. Dabei versuche ich mich in die Lebens- und Gedankenwelt der grauen Riesen hineinzuversetzen, obwohl mir klar ist, dass das eigentlich nicht geht. Wie es sich wirklich anfühlt, ein Elefant zu sein, was genau ein Elefant wahrnimmt oder wie er denkt, weiß wahrscheinlich nur ein Elefant.
Trotzdem fasziniert mich, was Menschen über die Kontaktpflege der Dickhäuter herausgefunden haben, über ihre Empathie und ihre Intelligenz.
Die Intelligenz von Tieren wurde lange unterschätzt. Werkzeugherstellung und -gebrauch, kulturelle Traditionen, differenzierte Kommunikation: All das galt bis weit ins 20. Jahrhundert hinein als Alleinstellungsmerkmal des Menschen – völlig zu Unrecht. Selbst Gefühle wurden Tieren noch im 19. Jahrhundert abgesprochen. Wenn ein geprügelter Hund jaulte, war das nur ein Reflex, kein Ausdruck von echtem Schmerz. (Sehr praktisch, wenn man beim Hundeprügeln ein schlechtes Gewissen vermeiden möchte. Heute wissen wir, dass selbst Fische Emotionen kennen, trotzdem haben sich die Fang- und Haltungsbedingungen sogenannter Nutztiere in den letzten Jahrzehnten eher verschlechtert.) Gleichzeitig besteht immer die Gefahr, Tiere zu vermenschlichen und ihnen dadurch ebenfalls nicht gerecht zu werden.
Neue Entwicklungen in der KI-Forschung bringen uns offenbar dem Traum näher, mit Tieren in ihren eigenen Sprachen zu reden. Die „Scientific American“-Wissenschaftsredakteurin Lois Parshley schreibt in einem Artikel (nachgedruckt unter https://www.spektrum.de/news/tierkommunikation-ki-koennte-uns-endlich-mit-tieren-sprechen-lassen/2195670), dass moderne KI-Systeme auch den Bereich der tierischen Kommunikation revolutionieren könnten.
Seit 2017 lassen sich menschliche Sprachen ohne digitale Lexika ineinander übersetzen, indem die Häufigkeitsverteilungen der Wörter miteinander verglichen werden. Wenn man diese Systeme mit riesigen Datenmengen trainiert, kann man zum Beispiel anhand der Häufigkeit, mit der Begriffe wie „Mutter“ oder „Sohn“ nebeneinander vorkommen, statistisch prognostizieren, welches Wort wohl als nächstes auftaucht – auch wenn man die Sprache gar nicht kennt.
Noch vor wenigen Jahren mussten solche KI-Modelle von Menschen trainiert werden, die zum Beispiel alle Katzenfotos mit dem Begriff „Katze“ gekennzeichnet haben. Inzwischen funktioniert maschinelles Lernen weitgehend autonom: Neuere Systeme überwachen sich selbst und bringen sich bei, was sich wie klassifizieren lässt.
Diese Entwicklungen helfen auch dabei, unbekannte Tierlaute zu entschlüsseln.
Seit Längerem ist bekannt, dass Pottwale gewisse individuelle Klangmuster verwenden, um ein Mitglied ihrer Herde zu identifizieren. Sie sprechen sich, ähnlich wie Delfine, mit Namen an.
Eine nordamerikanische Forschergruppe hat einige dieser „Namen“ in der Karibik mit Unterwassermikrofonen aufgenommen. Anschließend beschleunigte ein künstliches neuronales Netz die Identifikation der aufgezeichneten Klangmuster, sodass man die Laute zuverlässig kleinen Wal-Untergruppen zuordnen konnte. Jetzt planen die Wissenschaftler, große Teile der Karibik mit Hydrofonen abzuhören und dabei Pottwallaute jeglicher Art zu analysieren – in der Hoffnung, dass das KI-Modell sich selbst die Pottwalsprache beibringt.
Bei den meisten Lautmustern weiß man dann zwar immer noch nicht, was sie bedeuten, aber wenn man das maschinelle System auf gut Glück mit den Tieren in deren Sprache kommunizieren lässt und die Antworten der Wale aufzeichnet, kann man möglicherweise einen Teil ihres Vokabulars entschlüsseln.
Wie Schweine und Hühner klingen, die sich wohlfühlen, ist inzwischen bekannt. Ein Tierverhaltensforscher entwickelt sogar ein KI-Modell, das das Bellen und die Körpersprache von Hunden in menschliche Sprachen übersetzen soll.
Doch egal, ob es um Haustiere, Nutztiere oder wildlebende Arten geht: Zu verstehen, was sie sagen, ist nur ein erster Schritt. Die größere Herausforderung besteht darin, ihnen wirklich zuzuhören und ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen.